Persephone Samaropoulo Pearce wurde 1941 als Tochter griechischer Eltern in der ägyptischen Hauptstadt Kairo geboren. Mit 25 Jahren tanzte sie auf den großen Bühnen der Welt. Höhepunkte ihrer Karriere erlebte sie in den Siebziger- und Achtzigerjahren als erste Solistin am Ballett Frankfurt und am Hamburg Ballett. Mehrere Tourneen führten sie u.a. nach London, Paris, Warschau und Wien. In diesem Jahr wurde die ehemalige Primaballerina 80 Jahre alt und feiert gleichzeitig das zehnjährige Jubiläum ihrer Tätigkeit als Ehrenvorsitzende der Charlotte Uhse-Stiftung. Anlass genug, ein Interview zu führen.
Frau Samaropoulo Pearce, wie sind sie zum Ballett gekommen?
Als ich anfing zu gehen, ging ich immer auf Zehenspitzen. Meine Mutter war besorgt darüber und ging mit mir zum Kinderarzt. Der sagte nur, sie solle sich keine Sorgen machen – ich würde einfach tanzen! Das brachte meine Mutter auf die Idee, mich in eine Ballettschule zu geben, als ich drei Jahre alt war. Ich wurde von einer russischen Ballettlehrerin unterrichtet, die auch der königlichen Familie in Kairo beibrachte, wie sie am Hof gehen und stehen sollten. Zunächst weigerte sie sich, mich an der Schule aufzunehmen, weil ich so klein war. „Dies ist eine Ballettschule und kein Kindergarten!“ sagte sie zu meiner Mutter. Schließlich gab sie mir doch eine Chance und war dann doch sehr begeistert von meinem Talent. Bei den jährlichen Aufführungen der Ballettschule kamen die Leute dann, um ausdrücklich „little Phoni“ zu sehen und ich musste immer eine Zugabe tanzen. Ich wurde von da an besonders gefördert, gründete mit 18 Jahren meine eigene Compagnie mit zwei weiteren Tänzerinnen – am Schluss waren 40 Tänzer:innen – und wir traten regelmäßig im ägyptischen Fernsehen auf.
Und wie sind sie dann am Theater gelandet?
Zwischen 1964 und 1966 besuchte ich für Sommertrainings das Liriki, das Staatstheater in Athen. Dort traf ich auf Giannis Metsis, der mich sehr förderte und ein Mentor für mich wurde. Er bot mir eine Stelle als Solistin in der dortigen Compagnie an und so blieb ich in Athen. In den Sommerferien war ich regelmäßig in London, um dort an Trainings teilzunehmen. Dort wurde die Ballettlegende Margot Fonteyn auf mich aufmerksam und lud mich ein, mit der Compagnie des Royal Ballett zu trainieren. Auch Margot unterstützte mich sehr. Sie motivierte mich, mich bei großen, internationalen Compagnien zu bewerben. Und so kam ich dann 1967 nach einem erfolgreichen Vortanzen an das Ballett in Stuttgart zum berühmten John Cranko. John Neumeier lernte ich 1970 ebenfalls in London bei einem Sommertraining kennen und wurde unter seiner Leitung Solistin in der Frankfurter Ballettcompagnie. 1973 folgte ich ihm dann ans Hamburg Ballett. Im Hamburg tanzte ich als Solistin bis 1981 und übernahm dann für drei Jahre die Leitung der Ballettschule. Aus familiären Gründen gab ich die Leitung ab, unterrichtete aber noch viele Jahre, bis 1993.
Gibt es ein besonderes Erlebnis, ein Highlight, in Ihrer Karriere?
Ende der 60er Jahre war ich Solistin in Zürich und durfte den Pas de Deux aus Schwanensee mit dem legendären Rudolf Nurejew tanzen. Ich war anfangs etwas zurückhaltend, weil ich Angst vor seinem Temperament hatte. Aber dann war es wirklich eine großartige Erfahrung und Nurejew war immer sehr freundlich und hilfsbereit.
Was fasziniert Sie an der Kunstform Ballett?
Ballett vereint einfach alles. Der Körper wird trainiert, man lernt Musikalität, Disziplin, Selbstreflexion und Ehrgeiz. Ich finde, jedes Kind ab vier, fünf sollte Ballett tanzen. Meine Enkelin ist sechs Jahre alt und tanzt auch Ballett. Nun will sie auch singen und schauspielern, was ich auch großartig finde. Aber trotzdem finde ich es gut, dass sie auch weiterhin Ballett tanzt. Ballett vermittelt eine besondere Ausstrahlung und einen besonderen Gang, eine Körperbeherrschung. Inzwischen bin ich 81 Jahre alt und wiege 20kg mehr als damals, aber trotzdem sprechen Menschen mich an und fragen, ob ich Balletttänzerin gewesen sei. Man erkennt es heute noch an der Art und Weise, wie ich mich bewege. Und die Zuschauer:innen versetzt es in eine verzauberte Welt. Von vielen Menschen habe ich schon gehört, u.a. auch von Frau Uhse, dass Ballett ihr Lebenssinn ist.
Wie haben Sie Charlotte Uhse und die Stiftung kennengelernt?
Nach dem Tod ihres Mannes war Frau Uhse fünf Jahre lang sehr niedergeschlagen. Ihre Freundin konnte das nicht länger ertragen und nahm sie mit ins Ballett, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Das Stück war Schwanensee, ich hatte die Rolle der Prinzessin Natalja. Frau Uhse sagte später, dieser Tag stellte ihr Leben auf den Kopf. Seit diesem Abend verpasste sie keine Vorstellung mehr, reiste der Compagnie hinterher, wurde Mitglied bei den Ballettfreunden. Ab da wurde sie auch eine enge Freundin meiner Familie und verbrachte Geburtstage, Abendessen und Feiertage bei uns. Auch in schweren Zeiten, als meine Tochter im Alter von vier Wochen starb, stand sie unserer Familie bei. Als Frau Uhse einen Schlaganfall erlitt, wollte sie mir nach ihrem Tod ihre Wohnung und ihr Vermögen vererben, aber das wollte ich nicht annehmen. Ich brachte sie dann mit einen guten Freund und Rechtsanwalt, Dr. Engelbrecht, zusammen. Und die beiden hatten dann gemeinsam die Idee, dass Frau Uhse mit ihrem Vermögen eine Stiftung gründen sollte, um die Schüler:innen an der Ballettschule zu fördern.
Welche Bedeutung hat das Hamburg Ballett für Ihr Leben?
Das Hamburg Ballett war mein Leben, ich war so viele Jahre dort. John Neumeier war ein guter Freund und ein großartiger Choreograph und die Compagnie dort war auch großartig.
Ihr Lieblingsort in Hamburg?
Ach, ich vermisse Hamburg, Hamburg ist wunderschön. Ich lebte später 11 Jahre in Südafrika, meine erwachsenen Kinder ließen sich beide in Großbritannien nieder. Ich wollte näher bei ihnen sein, überlegte, in die Schweiz zu gehen, nach Frankreich oder nach Griechenland. Meine Söhne sagten aber, „Mama, Du gehörst nach Hamburg.“ Ich habe auch die deutsche Staatsbürgerschaft! In Hamburg habe ich gerne Spaziergänge im Botanischen Garten gemacht, ich liebe die Natur. Und als Familie waren wir oft im Hotel Vier Jahreszeiten zum Mittagessen und haben den Blick auf die Alster genossen.
Was möchten Sie jungen Tänzer:innen am Anfang ihrer Karriere mitgeben?
Es macht mich sehr traurig zu sehen, wohin sich das Ballett in letzter Zeit entwickelt, dass immer mehr Compagnien geschlossen werden. Die Konkurrenz ist inzwischen heftig, es ist herausfordernd für Tänzer:innen zurzeit. Aber dennoch würde ich ihnen sagen: Gebt euren Traum nicht auf, folgt ihm und arbeitet hart dafür, euer Ziel zu erreichen. Ich bin auch unerwartet dorthin gekommen, wo ich heute bin. Du weißt nie, was das Leben noch mit Dir vorhat. Ich wünsche allen jungen Tänzer:innen, dass sie ihren Traum erfüllen können.